Keine Angst vor erweitertem Europa
Jugendwettbewerb „Neue Nachbarn in Europa“: Rotarier fördern mit Ausschreibung interessante Ergebnisse zutage
Echo-Online

MICHELSTADT. „Europäer habt Mut, die EU-Osterweiterung tut euch gut“, reimten die einen, die anderen meinten im schönsten Odenwälderisch: „Ei ja, packe mers an!“ Gemünzt waren die Slogans auf „Neue Nachbarn in Europa“, wie der Rotary-Club Erbach-Michelstadt das Thema seines Team-Wettbewerbs „Jugend und Zukunft“ betitelt hatte. Acht Teams aus vier Odenwälder Gymnasien sowie eines aus Ilmenau in Thüringen bewarben sich um die Preise, die am Montag in der Odenwaldhalle verliehen wurden.

Seit September 2003 befassten sich die Schüler mit dem vor knapp drei Wochen größer gewordenen Europa, hinterfragten Vor- und Nachteile. Nur drei der Teams hatten am Montag Gelegenheit, ihre Ergebnisse der Öffentlichkeit zu präsentieren. Eine Vorauswahl trafen die Rotarier bei einer internen Präsentation am Abend zuvor. Die beste Arbeit lieferten demnach Ann-Kathrin Arnhold, Sebastian Bürkle und Alexander Strache vom Gymnasium Michelstadt – sie gingen als Sieger aus dem mit 4500 Euro dotierten Wettbewerb hervor. Die drei hatten sich intensiv mit den acht Ostländern unter den zehn Neuen beschäftigt, dem „Armenhaus Europas“, das derzeit einen starken Aufschwung erlebt.

Die Auswanderung junger hoch qualifizierter und motivierter Menschen aus diesen Ländern thematisierten die Gymnasiasten ebenso wie die Rolle Deutschlands als wichtiger Handelspartner. Eine schlagartige Änderung wird es demnach nicht mehr geben, der 1. Mai steht nur symbolisch für einen langen Prozess – so das Resümee des Siegerteams, verbunden mit einem klaren Ja für ein gemeinsames Europa.

Den Präsentationspreis in Höhe von 300 Euro erhielt ein Team der Georg-August-Zinn-Schule in Reichelsheim für eine wahrlich sehenswerte und erfrischende Darbietung. Statt Power-Point-Show wählten die jungen Leute die Schauspielerei und ließen eine ungelernte Arbeiterin, einen Handwerker und einen Manager emotional ihre Sorgen und Hoffnungen eingedenk der Europäischen Vereinigung ausdrücken. Dabei spielten sie auch mit Klischees und Stammtischparolen.

Das Ergebnis war jedoch ebenfalls Zuversicht und Optimismus in Sachen Europa: „Es gilt, die Chancen zu nutzen.“ Den zweiten Präsentationspreis in Höhe von 200 Euro erhielt ein Team vom Beruflichen Gymnasium in Michelstadt. Die Schüler nutzen eine Klassenfahrt nach Polen, um sich intensiv mit diesem neuen EU-Mitglied zu beschäftigen. Ihre Sorge galt der Abwanderung hoch qualifizierter, junger Leute, vor allem bestens ausgebildeter Mediziner – was schwerwiegende Folgen für das polnische Gesundheitswesen haben könnte. Eine Umfrage unter deutschen Jugendlichen ergab zwar auch viele Klischees, aber überwiegend sehen junge Menschen in der Erweiterung eine Chance – so das Ergebnis.

Zu welchen Schlussfolgerungen die anderen Teams kamen, blieb am Montag offen. Statt dessen gab es einen Vorträge-Marathon, der viele Gäste hart an die Grenze der Konzentrationsfähigkeit führte. Auch zeigte sich die Themenwahl nicht sonderlich jugendgerecht. Die Reihen der Heranwachsenden aus den zahlreichen Schulklassen im Publikum dezimierten sich trotz schulisch ausgesprochener Teilnahmeverpflichtung von Pause zu Pause.

Ausführlich über den neuen Nachbarn Ungarn sprach András Orgaványi, stellvertretender Botschafter der Republik Ungarn in Berlin. „Unternehmer in Euroland“ war das Thema von Rotary-Mitglied Wolfgang Bechtold, dessen Firma sowohl in Beerfelden als auch in Tschechien produziert – um erfolgreich dem Verlust von Aufträgen und Arbeitsplätzen in Deutschland vorzubeugen.

Lediglich Gerd Landsberg, Geschäftsführendes Präsidial-Mitglied im deutschen Städte- und Gemeindebund, drang mit seinen Visionen von Bildungsrevolution und deutscher Wettbewerbsfähigkeit im Jahr 2009 bis 2012 halbwegs zu den Jugendlichen durch. Ebenso wollte er Befürchtungen der jungen Odenwälder hinsichtlich einer Einwanderungswelle aus dem Osten und einem härteren Konkurrenzkampf mit den Billiglohnländern relativieren.

Das Gefälle werde sich nivellieren, weil im vereinten Europa für alle die gleichen Regeln gelten. Wie diese zustande kommen, dürfen die Jugendlichen im September miterleben. Denn für alle Teilnehmer gibt es einen Zusatzpreis: einen Ausflug zum Europa-Parlament in Straßburg.
Liane Probst-Simon
21.5.2004


 Layout: G. Kellermann