Reinhard Grünewald,
ein Kollege der Georg-August-Zinn-Schule

 

 

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Der Erste Kreisbeigeordnete Dietrich Kübler (r.) verleiht Reinhard Grünewald das Bundesverdienstkreuz am Bande

Rudolf Happel für den Vorstand der evangelische Michaelsgemeinde (l.); Erster Kreisbeigeordneter Dietrich Kübler; Reinhard Grünewald sowie Bürgermeister Gerd Lode (r.)

 Bürgermeister Gerd Lode (r.) gratuliert

 

 

fotos: pdh

Steter Einsatz für die Mitmenschen
Echo-Online
Auszeichnung: Bundesverdienstkreuz am Bande würdigt das Wirken des früheren Realschullehrers Reinhard Grünewald

OBER-OSTERN. Es war gewiss ein großer Moment im Leben des früheren Realschullehrers Reinhard Grünewald, als der Erste Kreisbeigeordnete Dietrich Kübler ihm in Vertretung des erkrankten Landrats Horst Schnur am Dienstag das Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland anheftete. Dies geschah bei einer kleinen Feier, die nicht, wie sonst üblich, im Landratsamt stattfand, sondern auf Wunsch des Geehrten im Pflegeheim Marianne in Ober-Ostern, wo seine Frau Martha seit etwa einem Jahr betreut wird. Grünewald legte Wert darauf, sie, wie in den vergangenen 54 Ehejahren, auch an diesem Tag an seiner Seite zu wissen. Mit ihnen gefreut haben sich weitere Familienangehörige sowie zahlreiche frühere Kollegen und Mitglieder kirchlicher Gremien.

 Zur Ehrung vorgeschlagen hatte ihn Rudolf Happel, der Kirchenvorstandsvorsitzende der Michaelsgemeinde Reichelsheim, und er nannte hierfür auch viele überzeugende Gründe. Er selbst habe den Geehrten vor allem als Mitarbeiter im Gottesdienstkreis, als „Querdenker“ (eine kirchliche Diskussionsrunde), als Mitglied des Kirchenchors, des Kirchenvorstands, der Dekanatssynode, als Jugendgruppenleiter und Chefredakteur des Reichelsheimer Kirchenblättchens „Heimatbote“ kennen und schätzen gelernt. Aber natürlich wusste Happel auch von den anderen Aktivitäten des „Mannes mit der markanten, tiefen und ruhigen Stimme“. Grünewald hat auch beim „Runden Tisch für Völkerverständigung“ mitgearbeitet, Aussiedler- und Asylantenkindern Nachhilfeunterricht erteilt und ist Autor des Buches „Gegen das Vergessen – Juden in Reichelsheim“.

Auf diese Dokumentation ging auch Bürgermeister Gerd Lode ein, der daran erinnerte, wie die Gemeinde 1995 einstimmig beschloss, mit den während der Hitlerzeit aus Reichelsheim vertriebenen Juden Kontakt aufzunehmen und sie zu einem Besuch in die Gersprenzgemeinde einzuladen. 47 Personen aus Israel, Amerika und Frankreich folgten der Einladung und verbrachten zehn fruchtbare „Tage der Begegnung und Versöhnung“ in ihrer alten Heimat. Als sich nach ihrer Abreise die politischen und kirchlichen Gremien, die das Treffen organisiert hatten, zu einer Abschlussbesprechung trafen, empfanden sie das Bedürfnis, das Erlebte samt Vorgeschichte zu dokumentieren, um damit einen „Beitrag gegen das Vergessen zu leisten und zu neuen Begegnungen zu ermutigen“. Dass ein derartiges Werk dann tatsächlich realisiert wurde, sei das unbestrittene Verdienst von Reinhard Grünewald, der drei Jahre lang dafür recherchiert hatte.

Dietrich Kübler hob in seiner Laudatio weitere Leistungen des Geehrten hervor. So habe der Neunundsiebzigjährige bis vor einem Jahr immer wieder Spuren jüdischer Bürger in Reichelsheim verfolgt und aufgezeigt, bei Führungen im Stadtkern ebenso wie bei den drei bis vier Unterrichtseinheiten pro Jahr an seiner früheren Wirkungsstätte, der Georg-August-Zinn-Schule, um die Jugendlichen für dieses Thema zu sensibilisieren. Engagiert habe er sich weiterhin für die Bewohner des Asylbewerberheims in Beerfurth und – wenn auch in früheren Jahren – als Leiter und Ausbilder beim örtlichen DLRG.

Der Geehrte selbst reagierte humorvoll auf so viel Lob. „Lehrer sind eben doch nicht immer nur faule Säcke“, meinte er und ergänzte das Mosaik durch ein paar weitere Anekdoten aus seinem erfüllten Leben.

Musikalisch bereichert wurde die Feier durch den Reichelsheimer Gitarrenkreis „Regenbogen“, das Flöten- und Cello-Duo Beate und Max Ferdinand Frassine sowie durch einen Gesangsvortrag von Andrea Dippon-Meyer, der Leiterin des Jugendchors der Kirchengemeinde.
sun    1.9.2006

 

Hohe Auszeichnung „gegen das Vergessen“/ Reinhard Grünewald erhält Bundesverdienstkreuz für sein Lebenswerk

Presseartikel vom 01.09.2006 [Politik/Wirtschaft]
Der Erste Kreisbeigeordnete des Odenwaldkreises Dietrich Kübler hat am 30. August im Auftrag des Bundespräsidenten Horst Köhler das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland an den Reichelsheimer Bürger Reinhard Otto Grünewald ausgehändigt. Im Rahmen einer kleinen Feierstunde im Seniorenheim Marianne in Ober-Ostern, wo Reinhard Grünewald gemeinsam mit seiner Frau Martha wohnhaft ist, würdigten neben Dietrich Kübler auch der Bürgermeister der Gemeinde Reichelsheim Gerd Lode und der Vorsitzende des Kirchenvorstandes der evangelischen Michaelsgemeinde Rudolf Happel das Lebenswerk des früheren Realschullehrers.

Der Mann der Kirche war es auch, der Grünewald für die hohe Auszeichnung beim Bundespräsidenten vorgeschlagen hatte.
Nach einem musikalischen Beitrag durch das Flöten- und Cello-Duo Beate und Max Frassine, legte Dietrich Kübler den Schwerpunkt seiner Laudatio auf die intensiven Recherchen Grünewalds zur Geschichte der jüdischen Bevölkerung Reichelsheims. Von 1995 bis 2005 stand die Erforschung der Historie jüdischer Bürgerinnen und Bürger im Mittelpunkt der ungezählten ehrenamtlichen Aktivitäten des rührigen Ruheständlers. In den Jahren 1995 bis 1998 verfasste der Realschullehrer das Buch „Gegen das Vergessen – Juden in Reichelsheim“, das im Jahr 1998 publiziert wurde. Anstoß für dieses Werk gab ein Besuch von ehemaligen jüdischen Reichelsheimern in ihrer Heimatgemeinde auf Einladung des damaligen Gemeinderates. Während des Besuchs der insgesamt 47 Personen aus Israel, Amerika und Frankreich entstand das Bedürfnis die Historie zu dokumentieren. In ungezählten Stunden hat Reinhard Grünewald dieses Kapitel der Geschichte erforscht und hierfür sehr umfangreich in den Archiven recherchiert, Gespräche geführt und so ein Stück Zeitgeschichte aufgearbeitet.

Seit 1995 unterhält der Pädagoge Briefkontakt mit den vorrangig in den USA und Israel lebenden Juden. Darüber hinaus veranstaltete er von 1995 bis 2005 jährlich Führungen zur früheren Synagoge Reichelsheims und zu ehemals jüdischen Gebäuden, um Interessierten die Geschichte zu vermitteln und um an Judenpogrom, Vertreibung und Deportation in die Vernichtungslager im Dritten Reich zu erinnern. Besonders wichtig war Reinhard Grünewald die Weitergabe seines Wissens über die jüdische Geschichte an die Jugend.

„Sie haben mit Ihrem Tun einen äußerst wichtigen Beitrag geleistet, dass die Erinnerung an das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte erhalten bleibt. Die damit einhergehende Mahnung an uns alle, insbesondere an die kommende Generation, ist ein großer Verdienst um die Sicherung unserer Demokratie und der freiheitlich demokratischen Grundordnung“ so Kübler. Durch Lesungen und Berichte über eigene Erfahrungen versuchte Grünewald Schülerinnen und Schülern das Thema nahe zu bringen. In drei bis vier Unterrichtseinheiten pro Jahr an der Georg-August-Zinn-Schule in Reichelsheim bis zum Jahr 2005, die Grünewald ehrenamtlich gab, sensibilisierte er die Schüler für die Geschichte des Dritten Reiches. Auf seine Initiative wird auch die jährliche Gedenkveranstaltung zur „Reichskristallnacht“ durchgeführt.

Beiträge zur Verständigung mit und Integration von Minderheiten standen jedoch nicht nur wissenschaftlich im Interesse von Reinhard Grünewald, wie Bürgermeister Gerd Lode nach einem musikalischen Intermezzo des Gitarrenkreis „Regenbogen“ erinnerte: Von 1991 bis 2005 unterrichtete er – unentgeltlich - wöchentlich Kinder im Asylbewerberheim Wiesenmühle im Reichelsheimer Ortsteil Beerfurth und nahm aktiv am „Runden Tisch“, einem Aktionskreis für internationale Verständigung in Reichelsheim, teil. „Außerdem hat Reinhard – ich bleibe beim Du – große Verdienste um die Reichelsheimer DLRG. Von 1954 bis 1970 war er als Ausbilder tätig, erwarb 1959 das Lehrabzeichen der DLRG und gründete 1964 die Ortsgruppe die er bis 1974 als Vorsitzender führte.“

Rudolf Happel erinnerte in seiner Rede vorrangig an die kirchlichen Aktivitäten, war Grünewald doch schon nach seiner Rückkehr aus dem Krieg in verschiedenen kirchlichen Jugendgruppen Mitglied. Von 1965 bis 2005 nahm er aktiv an der Gestaltung von Gottesdiensten der Michaelsgemeinde teil und erteilte einige Jahre dort Konfirmandenunterricht. Von 1967 bis 1973 war er Mitglied des Kirchenvorstandes und bis 1974 Mitglied der Dekanatssynode, letzteres bekleidete er auch von 1980 bis 1985. Zwei Jahre gehörte Reinhard Grünewald auch der Landessynode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau an. Daneben leistete er als verantwortlicher Redakteur des „Heimatboten“ der Michaelsgemeinde zusätzlich publizistische Arbeit.

Sichtlich entspannt und voller Humor bedankte sich der Geehrte bei den Rednern und füllte die Berichte über die Stationen seines Lebens mit kleinen Anekdoten und humorvollen Geschichten. Abgerundet wurde das Begleitprogramm durch einen Gesangsvortrag von Andrea Dippon-Meyer.

aus: http://www.odenwaldkreis.de/index.php?funktion=presseartikel.php&selected=1&id=712

 

Title:  Gegen das Vergessen. Juden in Reichelsheim
    Author:  Reinhard Gruenewald
    Publication date:  1998
    No. of pages:
    Publisher:  Suin Buchverlag, Lindenfels
    Comments:  ISBN 3-921559-26-X.
Some of the Jewish vital records available for Reichelsheim are included in this book
 

 

 

Einige Projekte, bei denen Reinhard Grünewald,
unsere ehemaliger Kollege,
mit Schüler der GAZ zusammenarbeitete

 

Eindrucksvolle Gedenkfeier der Georg-August-Zinn-Schule in der Michaelskirche
GEDENKEN ZUM 8. MAI. Eine eindrucksvolle Gedenkfeier zum Ende des 2. Weltkriegs vor 60 Jahren veranstaltete die Georg - August - Zinn - Schule in der Reichelsheimer Michaelskirche. Mit Reinhard Grünewald (sitzend im Hintergrund) hatte man einen sachkundigen Redner gewinnen können. Irith Gabriely (Mitte) und Annika M. Drevenšek gestalteten abwechselnden mit musikalischen und literarischen Beiträgen das Programm. 
Foto: Jutta Mussong-Löffler

Reichelsheim.  "Hätte der Krieg noch länger gedauert, hätten die Amerikaner ihre Atombomben über Deutschland fallen lassen", so drastisch schilderte Reinhard Grünewald in seiner Ansprache vor Schülerinnen und Schülern die Situation am Ende des 2. Weltkrieges.
Die Georg-August-Zinn-Schule hatte sich in diesem Jahr anlässlich des 60. Jahrestages zum Kriegsende und Befreiung vom Hitler-Faschismus für eine besondere Veranstaltung entschieden, die der Bedeutung des Ereignisses Rechnung trug.

Die Klassen der 10. Jahrgangsstufe und die Oberstufe waren in die evangelische Michaelskirche in Reichelsheim eingeladen . Diese Örtlichkeit hatte dankenswerter Weise der Kirchenvorstand, der dem Vorhaben sofort offen gegenüber stand, zur Verfügung gestellt. Hier wurde in beeindruckender Weise diesem historischen Jahrestag in einer überwiegend von Schülerinnen und Schülern gestalteten Gedenkfeier durchgeführt.
Nachdem der stellvertretende Direktor Karl-Heinz Kitschke die anwesenden Jugendlichen sowie Bürgermeister Gerd Lode, den Elternbeiratsvorsitzenden Frank Laurentzsch und die Pfarrerin Eichner -Fischer begrüßen konnte, übergab er das Wort Reinhard Grünewald. Der ehemalige Lehrer der GAZ sprach eindringlich über den 8.Mai 1945 als einen Tag des Sieges über die Barbarei und Unmenschlichkeit. 55 Mio. Menschen waren dem Krieg zum Opfer gefallen, wobei im letzten Kriegsjahr "mehr Menschen getötet wurden als in den Jahren davor". Wie viele Millionen hätte man retten können, hätte das Stauffenberg - Attentat am 20. Juli 44 oder die Allierten früher Erfolg gehabt? Sichtlich ergriffen erinnerte er weiter an die Reichelsheimer jüdische Mitbürger, wie die junge Familie Seif, die mit ihren drei kleinen Kindern in Auschwitz sterben mussten. "Gedenken kommt von denken" , mahnt Grünewald, in einem Staat, in dem das Denken verboten wird, bleibt am Ende nur "rauschhafte Begeisterung, Selbstüberschätzung und Blindheit".
In welche Katastrophe Hitlers menschenverachtende Politik führen musste, skizzierten die Oberstufenschüler Jörn Kolb und Andreas Klar. Sie riefen die Bücherverbrennung vom Mai 1933 in Erinnerung. Lange vor den Nazis warnte Heinrich Heine , "Wer Bücher verbrennt, verbrennt am Ende auch Menschen".
Hier schlossen weitere Schüler der Oberstufe an, die abwechselnd aus der legendären Weizsäcker-Rede  zitierten. Hitlers Anweisung "zur peinlichen Einhaltung der Rassengesetze" fielen nicht nur 6 Mio. Juden zum Opfer, sondern auch Sinti und Roma, die in der Gedenkfeier einen zentralen Platz einnahmen.
Für das Leid der 500.000 ermordeten Sinti und Roma und der Überlebenden der Konzentrationslager, stand das Schicksal Anna Mettbachs, die als 16-jähriges Sintezza nach Auschwitz verschleppt wurde und erst vor wenigen Jahren ihre Erlebnisse in einem Buch festhielt.
Dass die Veranstaltung ihre Mithörerschaft fast eineinhalb Stunden fesselte, war nicht zuletzt Annika M. Drevenšek Verdienst, die Leidensgeschichte der damals fast Gleichaltrigen Anna Mettbach äußerst einfühlsam und dennoch mit fester Stimme vorzutragen. Es herrschte nahezu absolute Stille in der Kirche, als sie die verschiedenen Stationen der jungen Frau vorlas. Immer wieder unterbrochen wurde die Lesung durch die brillante Musik der bekannten Musikerin Irith Gabriely, die Lehrerin Jutta Mussong-Löffler für die zentrale GAZ-Feier gewinnen konnte.
Wie kaum ein anderer beherrscht Gabriely ihr Saxophon und ihre Klarinette, um Stimmungen aufzugreifen und widerzuspiegeln: mal traurig, mal klagend, mal beschwingt. Bis zum Ende bildeten Annika M. Drevenšek und Irith Gabriely einer Einheit, ergänzten sich in ergreifender Weise. Außergewöhnlich, da es ein vorheriges Treffen nicht gegeben hat.

Die Vorbereitungsgruppe, u.a. Annika Drevencik, Claire Rühlmann, Jörn Kolb, Andreas Klar, Andreas Schulz, Pelin Duran, Christoph Kohlbacher, Sylvie R. Bohnenstengel, GültenYildiz und Carolin Mende, die über viele Wochen mit Frau Jutta Mussong-Löffler Material durchforscht und ausgesucht hatte und auch am Mittwoch aktiv mitwirkte, entschieden im Vorfeld mit dem bekannten Gebet "Von guten Mächten" von Dittrich Bonhoeffer (ebenfalls von den Nazis umgebracht) die Gedenkfeier ausklingen zu lassen.
Am Ende der Veranstaltung war klar, dass der 8.Mai die Grundlagen geschaffen hat, in Freiheit und ohne Angst und Willkür zu leben.    

                       

Gedenken an das, was den Juden angetan wurde,
war der Hintergrund für zwei Veranstaltungen der Georg-August-Zinn-Schule in Reichelsheim. Die Schülerinnen und Schüler der 9. und 10. Jahrgangsstufe waren in der Aula zusammengekommen, um gemeinsam mit Schulleiter Direktor Richard Reinhold und dem ehemaligen Kollegen Reinhard Grünewald (r.) an die Ereignisse der Reichspogromnacht zu erinnern. Um der Deportierten aus Reichelsheim zu gedenken, verlasen Schülerinnen und Schüler die einzelnen Namen der ehemaligen Mitbürger. Anschließend ließ Reinhard Grünewald den Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel mit Eindrücken aus Auschwitz zu Wort kommen, in dem er entsprechende Passagen aus seinem Buch "Gegen das Vergessen" vorlas. Grünewald, der schon öfters zu diesem Thema Gast an der GAZ-Schule war, betonte, dass er keinesfalls die Moralkeule schwingen, noch Schuldgefühle entwickeln wolle, sondern durch Informationen bestimmte politische Entwicklungen im Keim ersticken möchte. Mit einer entsprechenden Ausstellung und Arbeitshilfen für Lehrer rundete der Referent sein Angebot ab. koe/Bild:koe

 

Jugendliche erkunden jüdische Schicksale der Zeit des Nationalsozialismus mit Buch-Autoren
Spurensuche-Projekt in Reichelsheim und Umgebung

Landratsamt Erbach - Reichelsheim (pdh) - Seit dem 1. Juni veranstaltet die Kinder- und Jugendförderung des Odenwaldkreises im Rahmen des Programms „Xenos – Brücken schlagen“ an mehreren Vormittagen ein Spurensuche-Projekt mit der Klasse 9f der Georg-August-Zinn-Schule in Reichelsheim. An zwei Exkursionstagen hatten die 24 Jugendlichen zusammen mit ihrem Klassenlehrer Alv Surma die Möglichkeit, ihren eigenen Wohnort auf Spuren der ehemals ansässigen jüdischen Familien zu untersuchen und deren Schicksale während des Nationalsozialismus zu recherchieren. Die Verarbeitung der Informationen und Eindrücke erfolgt in Kleingruppenarbeit unter Einsatz verschiedener Methoden wie Video, Foto, Interview und Theater.
Bei einem Rundgang in Reichelsheim mit Reinhard Grünewald, Autor des Buches „Gegen das Vergessen – über die Geschichte der Reichelsheimer Juden“ entdeckten die Schüler viele Spuren ehemaliger Wohnhäuser jüdischer Familien, einer Synagoge, eines Frauenbades und einiger Gedenkstätten.
Durch die lebhaften und umfangreichen Erzählungen Grünewalds, der nach jahrelangen Recherchen und persönlichen Begegnungen mit Zeitzeugen ein Experte auf diesem Gebiet ist, gewannen die Jugendlichen einen eindrucksvollen Einblick in einzelne Familienschicksale und Biografien jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger aus Reichelsheim.
Hilde Katzenmeier, Zeitzeugin und Mitautorin des Buches „Geschichte der Juden in Fränkisch-Crumbach“, die die Klasse am 8. Juni besuchte, informierte über das Leben der Bevölkerung in Fränkisch-Crumbach zu Zeiten des Nationalsozialismus, insbesondere über das Schicksal der jüdischen Familie Oppenheimer. Die Exkursion führte die Jugendlichen an eine Gedenktafel, die alte Zigarrenfabrik und die ehemalige Synagoge.
Besonders beeindruckend schilderte Hilde Katzenmeier den Jugendlichen ihre eigenen Erinnerungen und Eindrücke aus der Zeit des Dritten Reiches. Sie appellierte an die Schülerinnen und Schüler, selbst politische Verantwortung für eine funktionierende Demokratie zu übernehmen und dafür Sorge zu tragen, dass die Vergangenheit nicht in Vergessenheit gerät.
Die Schülerinnen und Schüler der Klasse 9f setzen ihre Projektarbeit in kleinen Gruppen am 14., 18. und 28. Juni weiter fort. Dabei geht es auch um Themen wie die individuelle Bedeutung von Heimat, Flucht, Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung. Wer sich dafür interessiert, erhält nähere Informationen im Internet unter der Adresse www.jugend-odenwald.de oder telefonisch bei der Kinder – und Jugendförderung des Odenwaldkreises,
Andrea Münch, Telefon 0 60 61 / 94 33 41.

 

Schweigen als Zustimmung – Wissen als Schutz gegen Vorurteile
„Gegen das Vergessen“ - Spurensuche-Projekt abgeschlossen – Videofilm hält Aussagen fest

Erbach (pdh) - „Gegen das Vergessen“ – das gleichnamige Buch von Reinhard Grünewald über das Schicksal der in Reichelsheim und Umgebung während der Zeit des Nationalsozialismus ansässigen jüdischen Familien gab gewissermaßen das Motto vor für das Spurensuche-Projekt der Kinder- und Jugendförderung Odenwaldkreis mit der Klasse 9f der Georg-August-Zinn-Schule in Reichelsheim. Das Projekt fand im Rahmen des Bundesprogramms „Xenos - Leben und Arbeiten in Vielfalt“ statt, das mit praxisnahen Maßnahmen nachhaltig gegen Fremdenfeindlichkeit, Intoleranz und Rassismus in der Gesellschaft und so auch in der Schule sensibilisieren will.
An sechs Vormittagen arbeiteten die Jugendlichen in Kleingruppen unter Einsatz verschiedener Methoden wie Video, Foto, Interview und Theater. Der Kontakt mit Zeitzeugen, Exkursionen vor Ort, allgemeine Informationen zur Geschichte des Nationalsozialismus, das Führen von Interviews mit Lehrern und Bürgern sowie Diskussionen in der Kleingruppe sollten eine intensive Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex unterstützen.

Zu den Zielen zählten das Überprüfen und die kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Haltung sowie deren eventuelle Änderung bezüglich Ausgrenzung, Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit - auch im eigenen aktuellen Alltag und Lebenszusammenhang sowie die Förderung von Zivilcourage.
Einig war sich zum Beispiel die Fotogruppe darüber, dass auch Schweigen als Zustimmung gewertet werden kann und Wissen vor Vorurteilen schützt. Die Jugendlichen fanden den Mut, ihre Meinungen zu äußern, auch mit dem Risiko, sich bei anderen Mitschülern damit unbeliebt zu machen. In der Theatergruppe gelang es durch verschiedene Rollenspiele, eigene Betroffenheit auszulösen und Gefühle wie Einsamkeit, Angst und Hilflosigkeit, Begriffe wie Heimat und Flucht kritisch zu reflektieren.
Die Videogruppe erstellte einen etwa zehnminütigen Film, der die Aussagen verschiedener interviewter Personen, Bilder aus dem Internet zur Judenverfolgung und Symbolik des Nationalsozialismus sowie aus dem Ort - jüdischer Friedhof - miteinander verbindet.

Zur Präsentation der Projektergebnisse trafen sich Vertreter der Kleingruppen, Klassenlehrer Alv Surma, Hauptschul-Stufenleiter Gerd Holz und Projektleiterin Andrea Münch von der Kinder- und Jugendförderung Odenwaldkreis mit Bürgermeister Gerd Lode und Reinhard Grünewald im Rathaus in Reichelsheim.

Die Jugendlichen überreichten dem Bürgermeister und dem Buchautor ihren Videofilm sowie Plakate mit Fotos und Texten zur Geschichte der „Reichelsheimer Juden“, die nun Einzug ins Gemeindearchiv halten und bei geeignetem Anlass der Öffentlichkeit gezeigt werden können.  06-04
 

 

 

 

erstellt: Donnerstag, 10. November 2011 - ©/ Layout: G. Kellermann